Marc Pinkernell ist Feuerwehrmann – einer der sagt: „Ich liebe diesen Job so sehr“. Ein Gespräch über Kindheitsträumereien, Katzen auf Bäumen und den Schrecken der brutalen Realität.
Warum träumen so viele Kinder davon, einmal Feuerwehrmann zu werden?
Ich glaube, Kinder finden die großen roten Autos toll. Die sind laut und alle machen Platz, wenn sie kommen. Bei meinem Sohn ist das auch so. Wenn der ein Feuerwehrauto sieht, ist er hellauf begeistert. Feuerwehr scheint einfach etwas Tolles zu sein. Und ich glaube, die Erwachsenen vermitteln auch ein gewisses Bild davon. So nach dem Motto: Egal in welcher Lebenslage du bist, die versuchen dir zu helfen – und zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit. Die Feuerwehr sucht einfach für alles eine Lösung. Ich denke, dieses Bild strahlt etwas Magisches aus. Und am Ende ist das genau das, was mich auch immer an der Feuerwehr begeistert hat.
Also wollten Sie auch schon als Kind Feuerwehrmann werden?
Eigentlich nicht. Mein Vater war LKW-Fahrer und deswegen wollte ich auch LKW fahren, denn das war ja schließlich auch ein großes Auto. Ich durfte da auch oft mitfahren. Im jugendlichen Alter bin ich dann in die freiwillige Feuerwehr eingetreten. Und als Zivi bin ich Rettungswagen gefahren. Erst später hat sich das dann alles im Beruf Feuerwehrmann zusammengefunden.
Wenn wir noch mal in diesem „Kinderbild“ der Feuerwehr bleiben: Rettet die echte Feuerwehr wirklich Katzen von Bäumen?
Ja, das kommt vor. Obwohl man sagen muss, dass die früher oder später wieder selber vom Baum runter kommen. Aber ja: Wir retten Katzen mit der großen Drehleiter von Bäumen.
Da ruft euch also ein besorgter Katzenfreund an, und ihr rückt mit dem großen Auto aus?
Meistens ist es so, dass ein Anwohner das Tier schon länger beobachtet hat. Dann rücken wir aus und gehen hoch – aber nicht, ohne richtig dicke Handschuhe anzuziehen. Katzen auf Bäumen sind nicht mehr so wahnsinnig lieb, wenn eine Drehleiter auf sie zugefahren kommt. Meistens springen sie in dem Moment auch einfach vom Baum runter und das Problem hat sich von selber gelöst. Aber wenn sie oben bleiben, trägt man beim Einfangen auf jeden Fall ein paar Kratzer davon.
Wow, ihr seid wahre Helden! Aber wenn wir den Spaß mal bei Seite lassen: Ich habe mir ein paar Feuerwehr-Reportagen auf Youtube angesehen. Und meine größte Erkenntnis war: Feuerwehr ist längst nicht nur Feuer.
Der Beruf hat sich ziemlich gewandelt. Früher hat der Feuerwehrmann tatsächlich nur das Feuer bekämpft. Heute macht es den Großteil unserer Arbeit aus, Rettungsdienst zu fahren, also medizinische Notfälle zu betreuen. Gerade die jüngeren Kollegen fahren viel Rettungswagen, also RTW. Dieser Wandel geht mit einem technischen Fortschritt einher. Seitdem es fast überall Rauchmelder gibt, gibt es deutlich weniger Wohnungs- und Hausbrände. Natürlich kommt es vor, dass es brennt. Aber es kann auch mal sein, dass ein halbes Jahr gar kein ernsthafter Brand bekämpft werden muss. Das häufigste, was wir in Sachen Feuer erleben, ist, wenn Essen auf dem Herd vergessen wurde. Dann versuchen wir möglichst schonend die Wohnungstür aufzubrechen und stellen das Essen in die Spüle und machen das Wasser an. Und häufig haben wir brennende Papierkörbe oder Mülleimer, weil jemand eine noch brennende Zigarette rein geschmissen hat. In Hamburg brennen außerdem leider hin und wieder PKWs. Aber dass es ein wirklich großes Feuer gibt, wo Menschen in Gefahr geraten, das kommt glücklicherweise selten vor.
Und wenn es dann doch passiert?
In meinen viereinhalb Jahren bei der Feuerwehr habe ich drei ernsthafte Wohnungsbrände miterlebt. Wir trainieren das durch und durch und jeder von uns ist perfekt dafür ausgebildet, aber wenn es dann doch so ist, fühlt es sich jedes Mal wie eine komplett neue Situation an. Ich musste jedes Mal deutlich aus meiner Komfortzone heraus gehen. Niemand geht einfach mal so ins Feuer. Gerade nicht, wenn es ein Feuer Y ist – also ein Feuer, in dem Menschenleben in Gefahr ist.
Wie läuft das dann ab?
Wenn wir ausrücken, dann gibt es einen Angriffstrupp und einen Wassertrupp. Zuerst wird die Lage vom Einsatzleiter erkundet und beurteilt. Die Angreifer gehen dann mit Schlauch und natürlich Atemschutzmasken rein. Wenn wir in eine brennende Wohnung kommen, in der keine Sicht mehr herrscht, gehen wir auf die Knie, mit einem Bein nach vorne gestreckt, um uns so vorzutasten. So verhindern wir, dass wir über Menschen laufen oder auch in Löcher fallen. Wenn man eine Person gefunden hat, trägt man sie raus. Der Schlauch ist dann auch eine Rückwegsicherung. Einmal musste ich ein Kind und seine Mutter aus dem Feuer tragen und ich weiß, dass beide im Nachhinein an Rauchvergiftungen gestorben sind. Das war eine Woche nach meiner bestandenen Prüfung zum Brandmeister. Das habe ich mit nach Hause getragen, obwohl man das natürlich nicht soll. Das sagt dir jeder, aber jeder nimmt das mit. Und Zuhause spricht man dann auch darüber. Natürlich nicht bis ins letzte Detail. Für mich ist es aber wichtig, auch mit meiner Frau darüber sprechen zu können. In solchen Situationen hilft meine Familie und das Familienleben sehr. Ich merke, dass mich solche Situation mittlerweile einfach wesentlich mehr treffen, wo wir jetzt selber einen kleinen Sohn haben. Plötzlich kann ich Parallelen ziehen.
Mein Onkel ist bei der freiwilligen Feuerwehr und er hat mir erzählt, dass verbrannte Menschen nach Schweinebraten riechen. Stimmt das?
Das weiß ich nicht, weil ich ja ein Atemschutzgerät trage. Die Verletzungen, die man sieht sind aber brutal. Ich würde so einen Vergleich niemals ziehen. Mir ist das zu drastisch, denn der Körper bleibt am Ende ein Mensch. Ich kann nur sagen, dass man solche Bilder nicht so einfach wieder aus dem Gehirn gelöscht bekommt.
Denken Sie da auch an die Kollegen aus London, die im Juni diesen fürchterlichen Hochhausbrand bekämpfen mussten? Wie erleben Sie eine solche Katastrophe hier auf der Wache?
Wir sprechen da drüber, denn natürlich kriegen wir das mit. Aber ich muss für mich auch sagen, dass ich mir das nicht im Detail vorstelle. Vielleicht denkt man, dass mich das alles brennend interessieren müsste. Aber da greift dann auch ein Schutzmechanismus.
Wovor schützen Sie sich da genau?
Da geht es mir schon um mein eigenes Leben. Es ist für mich schwierig, das dann nicht auch auf mein eigenes Leben zu übertragen. Ich möchte mich nicht da rein denken, dass das auch mir passieren könnte. Wenn ich jeden Morgen von zu Hause losfahren würde und denken würde, dass ich vielleicht morgen nicht zurückkomme: Das wäre einfach zu krass – auch für meine Frau, die mich ja fahren lässt. Man kann schon sehr detailliert im Kopf werden und das brauche ich einfach nicht. Fachlich hingegen sind solche Einsätze natürlich reizvoll, weil sie einfach etwas Besonderes sind. Hier in Hamburg hat mal ein riesiges Frachtschiff gebrannt. Das ist nicht alltäglich und dann müssen alle zusammenhalten und zusammenarbeiten. In einem solchen Fall, muss man dann auch in der Lage sein, die Gefahr im Kopf beiseite zu schieben.
Teil Ihres Jobs ist es, Menschenleben zu retten. Warum sind Sie am Ende bereit, Ihr Leben für das eines Anderen zu geben?
Das ist in mir entstanden. Ich liebe diesen Beruf und dieser Aspekt gehört halt einfach dazu. Es ist und bleibt ein besonderer Beruf, in dem man eben auch einen Eid ablegt. Und es fällt deutlich leichter, es in einem Team zu tun, in dem alle ein Ziel verfolgen. Vielleicht ist man dann auch eher bereit, das Risiko einzugehen. Aber wenn man natürlich ganz genau darüber nachdenkt, kann es für andere verrückt klingen.
Kann man trotz allem hin und wieder auch mal von Normalität in Ihrem Beruf sprechen?
Ja, schon. Wir absolvieren immer 24-Stunden-Schichten. Davon ist man meistens zwölf Stunden auf dem Löschzug eingeteilt, bekämpft also Brände und die anderen zwölf Stunden fährt man Rettungswagen. Die Schicht beginnt immer morgens um sieben Uhr. Da ist es dann auf der Wache wie in einer Großfamilie. Alle machen Frühstück, essen gemeinsam und hinterher wird abgeräumt und aufgeklart. Mittags kocht jemand und gibt vor, wie viele Männer noch zum schnippeln gebraucht werden. Dann wird um halb zwölf, zwölf gegessen und danach ist Mittagsruhe angesagt. Mir hilft dieses Ruhen für die Nacht auf dem RTW, wenn wir wesentlich häufiger ausrücken müssen. Am Nachmittag gibt es immer etwas zu tun. Wachunterrichte, Papierkram von den Einsätzen erledigen und Dienstsport. Ab 17 Uhr haben wir Bereitschaftszeit. So lange dann kein Alarm ist, machen wir Sport, spielen Tischtennis oder kicken in der Turnhalle. Und um zehn Uhr ist dann Nachtruhe. Wenn man Rettungswagen in der Nacht fährt, weiß man aber, dass man nachts ein paar Mal raus muss. Einsätze vor zwölf Uhr sind nicht schlimm. Aber nach zwölf hat man vielleicht schon geschlafen und dann wird es anstrengend.
Sind diese 24-Stunden-Schichten nicht eigentlich völlig irre?
Wer arbeitet schon so? Ich mache heute mit 24 Stunden Dienst drei Arbeitstage wett. Jemand anderes muss dafür drei Mal zur Arbeit fahren. Mir ermöglichen diese Schichten, im Landkreis Cuxhaven zu leben und extrem viel Zeit mit meinem Sohn und meiner Frau zu verbringen, und nebenbei noch mein Haus zu renovieren. Ein paar Kollegen finden die 24-Stunden-Schichten eher doof. Eine große Mehrheit findet das aber super. Meistens arbeitet man im Dreiwochenrhythmus. In der ersten Woche montags, freitags und sonntags. Dann mittwochs und samstags und dann dienstags und donnerstags.
Dennoch, wie schafft man diese Spannung von null auf hundert über 24 Stunden zu halten?
Da ist schon eine gewisse Grundspannung, die aber einfach auch eine Normalität für uns ist. Es ist eine ständige Arbeitsbereitschaft. Wenn der Alarm geht – egal ob ich beim Sport bin, im Bett liege oder unter der Dusche stehe – höre ich sofort auf, mit dem was ich vorher getan habe, renne los, nach unten, ziehe meine Kleidung an und sitze innerhalb von zwei Minuten im Auto.
Und wenn man doch mal länger braucht? Ich weiß ja nicht, aber vom Klo kann man sich ja manchmal vielleicht nicht sofort losreißen.
Dann würden die Kollegen vielleicht auch ohne mich losfahren.
Können Sie privat eigentlich auch so schnell aufstehen?
Schon. Aber Zuhause habe ich zum Glück einen ziemlich gesunden Schlaf aus dem ich nicht so häufig herausgerissen werde. Es sei denn mein Sohn hat Gesprächsbedarf.
Was war bislang Ihr skurrilster Einsatz?
Skurril weiß ich nicht. Aber es ist schon krass, für was für Lappalien wir manchmal gerufen werden. Wenn wir freitags in der Nacht gerufen werden, weil jemand seit vier Tagen Durchfall hat, dann fragt man sich schon, warum derjenige es in drei Tagen nicht zum Hausarzt geschafft hat. Teilweise gehen auch Notrufe ein, mit Aussagen wie: „Ich bekomme ganz schlecht Luft.“ Wenn man dann da ankommt und feststellt, dass jemand einfach nur Schnupfen hat und es ein Nasenspray tun würde, dann ist das schon krass.
Was ist Erfolg für Sie?
Im Prinzip, wenn man etwas erreicht hat. Wenn man sieht, dass die eigene Arbeit Früchte trägt. Also wenn eine Wohnung brennt und ich weiß, ich habe jemanden rausgeholt, dann habe ich den direkten Erfolg vor Augen. Ich muss da nicht erst noch drei Wochen auf eine Bestätigung warten. Und das mag ich.
Zum Schluss muss ich noch mal auf ein paar Klischees kommen. Was denkt die Berufsfeuerwehr über die Freiwillige Feuerwehr?
In Hamburg ist die Freiwillige Feuerwehr eine ganz wichtige Komponente, die die Berufsfeuerwehr in wirklich großem Maße unterstützt. Da habe ich wirklich Respekt vor, gerade vor den Leuten die sich so in ihrer Freizeit engagieren. Die Freiwillige Feuerwehr ist in Hamburg meistens der Sicherheitstrupp. Das sind die Leute, die uns absichern, sprich reinkommen, wenn uns was passiert. Das heißt aber auch jedes Mal, wenn wir zu einem „Essen im Topf“ losfahren, kommt die Freiwillige Feuerwehr dazu. Da kann dann schon mal fünf Mal am Tag der Meldeempfänger für die losgehen. Das Klischee betrifft aber sicher den Alkohol. Das rührt aus alten Zeiten. Heute ist das absolut nicht mehr der Fall.
Wann sehen wir Sie in einem Pinup-Kalender?
Ich denke gar nicht. Da platzt das Klischee leider.
Aber die Stange: Gibt es die Stange wirklich?
Ja, die gibt es. Und soweit ich weiß, auch in jeder Wache der Berufsfeuerwehr in Hamburg. Kollegen aus Bergedorf waren mal bei Wetten dass…? und haben gewettet, dass sie jede einzelne Person aus ihrem Trupp daran erkennen, wie es sich anhört, wenn sie die Stange runter kommen. Man muss sich gut festhalten beim Rutschen. Und wenn man gerade frisch geduscht hat und die Haut stumpf ist, dann tut es richtig weh. Aber es macht auch Spaß. Vielleicht denken Kinder auch an die Stange, wenn sie an die Feuerwehr denken.
Ein interessanter Einblick in den Beruf! Sehr gut, lebendig und ansprechend formuliert, zeigt er auch einen privaten Einblick in das Familienleben.
Die Fotos sind gut!
Ps. Werde mir gerne weitere Interwies lesen
Vielen Dank!