Fotografie Kerstin Petermann

Erfolg passiert im Herzen.

Fotografie Kerstin Petermann
Portrait Fotografin Kerstin Petermann

Kerstin Petermann ist Fotografin für Portraits und Reportagen. Man sagt so schnell über jemanden, dass er gerne reist. Bei Kerstin ist das anders: Bei ihr scheint der Wechseln der Welten die pure Leidenschaft zu sein. Ständiger Antrieb und Begleiter ist die Neugier. Und so schaut sie hinter so allerlei Kulissen. Ein Gespräch über “Kurztrips”, die Stärke von Bildern und ein hehres Ziel in fünf Jahren.

Ich erinnere mich so gut an unser Kennenlernen. Du hast mich mit zwei Geschichten geflasht. Nummer eins: 2015, Pfingsten, du hast vier Tage frei und willst weg und entscheidest dich, nach Indien zu fliegen. Unfassbar. Und Nummer zwei: Du hast gesagt, ich werde dich bei unserem ersten Treffen schon erkennen, denn du steckst dir einfach eine Rose ins Knopfloch. Das hast du dann tatsächlich gemacht und hast mir die Rose geschenkt. Durch diese beiden Geschichten hatte ich das Gefühl, zu wissen, wer du bist.

Ja, wahrscheinlich sind das schon zwei typische Geschichten. Ich lebe spontan. Und ich habe gewisse Grundsätze. Ich tue das, was ich sage. Und ich sage das, was ich tue. Und wenn mich jemand darin nicht ernst nimmt, dann ist das sein Problem und nicht meins. Darum hüte dich vor deinen Wünschen: sie könnten in Erfüllung gehen.

Als Fotografin denkst du in Bildern. Ich habe mich gefragt, welche drei Bilder von dir oder zu dir man gesehen haben muss, um dich als Mensch zu begreifen?

Es gibt ein Bild aus den vier Tagen Indien, das unheimlich viel in mir und mit mir gemacht hat. Das Portrait zeigt ein indisches Mädchen in einem Zug. Das war eine ganz kurze, sehr spontane und lebhafte Situation. Das Bild wirkt aber ganz ruhig. Ich glaube, diese Kombination beschreibt mich ganz gut. Wenn man mich kennen lernt, merkt man schnell, dass da mega viel Energie ist. Aber ich kann eben auch sehr ruhig sein. Ein Bild was mich außerdem charakterisieren würde, wäre ein lachendes Portrait mit ganz viel Sonne und guter Laune. Und das dritte Bild wäre eine weite Landschaft mit Blick aufs Meer. Ich bin auf Rügen aufgewachsen und ich liebe die Weite und die Freiheit. Ich brauche das Meer und die Ferne.

Die Ferne? Das Unbekannte?

Im Moment habe ich wieder totales Fernweh, denn ich war drei Monate nicht aus Hamburg raus. Das rappelt richtig in mir. Ich habe mir allerdings vorgenommen, Kontinuität zu pflegen und mal in Hamburg zu bleiben. Aber das zerrt so unglaublich in meiner Brust.

Was genau zerrt da?

Ich will los. Ich will weg, will andere Sachen sehen, andere Menschen erleben, andere Temperaturen auf der Haut fühlen. Ich möchte andere Gerüche in der Nase riechen. Das Verlangen nach dem Neuen zerrt, obwohl hier in Hamburg alles toll ist. Ich fühle mich wohl in meinem zu Hause, meine Freunde sind super. Hamburg ist meine Heimat, aber ich muss immer wieder los.

Ist die Ruhe zu ruhig oder das Neue zu interessant? Was treibt dich?

Bei mir muss es immer etwas Neues geben. Und das, obwohl das Alte noch nicht abgearbeitet ist. Das ist ein totaler Konflikt in mir. Manchmal denke ich, ich muss ständig raus in die Unruhe, um endlich wieder ruhig werden zu können. Denn wenn ich unterwegs bin, kann ich drei Stunden in absoluter Ruhe in einem Café sitzen und Menschen beobachten und fotografieren.

In unseren Interviews haben wir schon oft so richtige Charaktere gezeigt. Ich denke sofort an den Metzger, die Klofrau und auch auf eine subtilere Art und Weise an den Müllmann. Wie wird für dich aus einem Menschen ein wahrer Charakter?

Um einen Charakter zu entwickeln, braucht es Lebenserfahrung, denn man muss gelebt und erlebt haben. Ein Charakter entsteht also beim Leben. Der Punkt ist, diesen Charakter dann auch zu leben und ihn zuzulassen. Man muss es auch aushalten können, ein Charakter zu sein und sich an ihn zu halten. Man muss zu sich stehen. Und das braucht enormen Mut. Denn ein wahrer Charakter zu sein, birgt auch Risiken. Risiken im Fallen, als auch im Gefallen.

Du hast in deinem Leben schon ganz viele, ganz unterschiedliche Jobs gemacht. Du hast vor der Wende in Rostock Nachrichtentechnikerin gelernt, hast in Agenturen gejobbt oder auch Telefonakquise gemacht. Jetzt verdienst du dein Geld freiberuflich als Controllerin – sagst selber: „Ich mache das, wo andere keine Lust zu haben.“

Das mit den Jobs kommt mir manchmal so vor, wie auf dem Bahnhof zu stehen und zu gucken, welcher Zug gerade losfährt. Ich springe dann auf einen auf und frage mich jedes Mal, wie lange ich wohl mitreisen werde. Was alle meine Jobs verbindet, ist, dass ich immer aus dem Nichts improvisieren musste. Vielleicht ist das auch eine meiner Gaben. Ich bin ein Troubleshooter. Und ich glaube ganz fest daran, dass man im Leben immer Lösungen finden kann.

 

Fotografin Kerstin Petermann blättern im Magazin

Dein neuster Karriereschritt ist die Fotografie. Weniger ein Job als echte Leidenschaft. Wie bist du zum Fotosmachen gekommen?

Ich habe immer Bilder mit meinem Smartphone gemacht. Und für eine Reise nach Istanbul habe ich mir eine richtige Kamera gekauft und eine Freundin hat mir erklärt, wie sie funktioniert. Zu meiner Freude kamen meine Bilder richtig gut an – auch auf meinen Social-Media-Kanälen. Irgendwann bekam ich eine Anfrage von dem Magazin „Polar Gazette“, acht bis zehn Fotos im Monat zu liefern. Daraufhin habe ich dann Workshops besucht und gelernt und gelernt und gelernt. Und nach und nach kam mir in den Kopf, mit dem Fotografieren Geld zu verdienen. Auf diesem Weg bin ich jetzt. Es gibt für mich nichts Schöneres, als dieses Hobby nun zu meinem Beruf zu machen.

Auf welches deiner Bilder bist du besonders stolz?

Das ist das Bild, von dem ich am Anfang sprach: das indische Mädchen im Zug. Sie trägt eine dunkle, schlichte Tracht und schaut aus dem Fenster hinaus in den Regen. Das Bild ist unter unmöglichen Bedingungen entstanden. In dem Abteil war es sehr voll und sehr dunkel. Ich sprach natürlich kein Wort indisch und wollte dem Mädchen und ihrer Familie aber unter totalem Angstschweiß klar machen, dass ich sie gerne fotografieren würde. Ich habe immer wieder auf mich, die Kamera und das Mädchen selber gezeigt. Und dann gab es diesen kurzen Moment, in dem sie nickte, sich ans hellere Fenster setze und ich in einer Sekunde dieses Foto machen konnte. Ich habe dann von ihrem Bruder eine Handynummer bekommen und habe ihm das Bild per WhatsApp geschickt. Die Familie hat sich so gefreut. Es war ein wunderbares Erlebnis.

Warum kickt dich dieses Bild so sehr?

Weil ich den perfekten Moment eingefangen habe, der nicht gestellt war.

Aber du hast das Mädchen doch ans Licht des Fensters setzen müssen?

Das klingt erstmal wie gestellt. Aber es ging eigentlich darum, dass Mädchen in ihrer Persönlichkeit wahrzunehmen. Ich habe sie wahrgenommen und habe einfach nur für genügend Licht gesorgt, damit auch andere ihr Wesen sehen können. Das Besondere an dem Bild ist mein Eindruck des Mädchens in einer bestimmten Situation. Das Foto ist die perfekte Abbildung meiner Wahrnehmung.

Hast du für die Zukunft ein Traummotiv?

Ich habe in den Bergdörfern im Norden von Vietnam angefangen, Menschen in ihren Schlafzimmern zu fotografieren. Dieses Projekt möchte ich in den nächsten drei Jahren weltweit fortführen. Aber ein klassisches Traummotiv habe ich nicht. Nach meiner Erfahrung passieren Motive auch einfach so. Aber es gibt zwei Partner, bei denen ich gerne gelistet wäre. Zum einen „Laif core“, eine Agentur, die in Deutschland mega starke Fotografen vermittelt. Und ich möchte in den nächsten fünf Jahren einmal für National Geographic arbeiten.

Was bedeutet Erfolg für dich? National Geographic?

National Geographic wäre wirklich ein Erfolg. Aber eigentlich fängt Erfolg schon viel früher an. Dann, wenn ich raus gehe und ich mit einem Bild in der Tasche nach Hause zurück fahren und „Yes“ sage. Das kann nach einer Stunde sein oder nach einem Tag. Oder nach 20 Sekunden. Erfolg passiert im Herzen. Wenn du das Gefühl hast, der Hals zieht sich zu, die Augen werden feucht und es ist innerlich einmal kurz zerreißend: Das ist dann Erfolg. Dann war es geil. Erfolg hat für mich rein gar nichts mit Geld zu tun.

Warum machst du bei 40 Stunden mit?

40 Stunden ist total echt. Es geht um echte Menschen. Und mich hat deine Art, Fragen zu stellen, fasziniert. Die sind auch echt und sehr oft einfach anders. Ich fand das eine tolle Herausforderung, deine Portraits mit meinen Bildern zu unterstützen. 40 Stunden ist ungeschminkt und direkt aus dem Herzen gefragt. Und außerdem geht es bei 40 Stunden um Berufe und ich habe ja nun wirklich lange gebraucht, um meinen Beruf zu finden. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich schon seit 30 Jahren fotografieren.

Welches ist dein Lieblingsinterview?

Das ist ganz stark abhängig von meiner Stimmung und es ist dementsprechend jeden Tag ein anderes Interview. Und manchmal wandeln sich die Interviews auch im Laufe der Zeit, weil man neue Dinge entdeckt und die Menschen dann noch mal ein bisschen besser versteht. Das Interview mit der HIV-Forscherin ist kühl und sehr global. Bei der Pfarrerin wird es ganz ruhig und fast intim. Naja, und Intimität spielt natürlich auch bei der Prostituierten und bei der Sexologin eine große Rolle. Das sind aber gleichzeitig auch lustige Interviews zum Grinsen.

Gibt es einen Beruf für dich, den wir unbedingt machen sollten?

Choreograph oder Filmregisseur. Auch da geht es darum, Bilder umzusetzen. Allerdings kommen als Elemente zusätzlich Bewegung und Musik hinzu. Das zu Koordinieren finde ich absolut bewundernswert.

Letzte Frage: Was machst du dieses Jahr Pfingsten?

Ich bin auf einer Hochzeit am Tegernseer und bin zum ersten Mal in meinem Leben Trauzeugin. Noch mal ein ganz neuer Job.

 

Flatlay Kerstin Petermann

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