Tätowierer Peter "Jabba" Preinesberger

Da wo Haut ist, gehört auch ein Tattoo hin.

Tätowierer Peter "Jabba" Preinesberger

Peter „Jabba“ Preinesberger ist Tätowierer. Eigentlich wollte er Comiczeichner werden, aber seine Eltern fanden Maschinenschlosser irgendwie passender. Ein Tattoo veränderte dann sein Leben. Ein Gespräch über Magie, Schmerzen und einen tätowierten Penis.

Was war dein erstes Tattoo?

Ein asiatisches Schriftzeichen im Nacken. Ich habe es mir erst mit 23 Jahren stechen lassen, also 1996. Ich hatte schon immer sehr hohe Ansprüche an ein Tattoo und in den 90ern hat man einfach noch nicht so gute Leute gefunden. Das Symbol steht dafür, seinen Traum zu leben. Ich bekam damals endlich die Chance, selber Tätowieren zu lernen und so musste ich natürlich auch selber damit anfangen.

Gibt es überhaupt Tätowierer, die selber nicht tätowiert sind?

Ja, ich kenne weltklasse Tätowierer, die kein einziges Tattoo haben. Die kann ich aber einfach nicht ernst nehmen. Was soll man denn dem Kunden erklären über Schmerz und Durchhalten und wie du deine Kunst vertrittst? Du verkaufst auch keinen Mercedes und fährst selber Ford.

Wieviel Prozent deines Körpers sind jetzt tätowiert?

Ich habe noch recht viele Stellen frei. Ich habe aber seit zehn, zwanzig Jahren Ideen für Tattoos für mich im Kopf – für circa siebzig bis achtzig Prozent meines Körpers. Ich warte immer, bis der richtige Tätowierer für die nötige Magie für das Motiv und die Stelle kommt und dann wird es eingefügt.

Das heißt, das Ziel ist schon, dass möglichst wenig blanke Haut zurück bleibt?

Für mich ist mein Körper ein Tagebuch. Meine Vorstellung ist ganz klar: „Da wo Haut ist, da gehört auch ein Tattoo hin.“ Aber ich halte gar nichts davon, wenn sich Leute mit Anfang zwanzig komplett voll tätowieren lassen. Die wissen noch nichts vom Leben. Die tragen dann vielleicht schöne Kunst auf sich, aber das Tagebuch schreibt sich doch gerade erst. Du erlebst auch mit dreißig, vierzig noch ganz einschlägige Dinge, die du dann verbildlichen möchtest. Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie sich mein Tagebuch weiter schreiben wird.

Ist Tätowieren denn für jeden ein Tagebuch? Ich habe mich oft gefragt, warum Menschen sich tätowieren lassen. Ich bin für mich der Meinung, dass ich meinen Körper nicht verschönern muss. Das soll nicht heißen, dass ich alles an ihm perfekt finde, nur ein Tattoo würde ihn für mich auf keinen Fall schöner machen. Warum lassen Menschen sich tätowieren?

Bei mir ist es ein Produkt aus vielen Komponenten. Erstens zeichne ich seitdem ich laufen kann. Zweitens habe ich mich schon immer musikalisch oder kulturell für Dinge interessiert, die nah am Tätowieren dran waren. Und ich bin ein großer Freund von archaischen Kulturen. Wer ein Feuer macht und mit einer Verletzung in das Feuer greift und hinterher Aschepartikel im Körper hat, ist quasi tätowiert. Ich bin der Überzeugung, dass jeder Stamm nach hundert Lagerfeuern wusste, dass das geht. Neben der Höhlenmalerei ist Tätowieren die älteste Kunstform. Prinzipiell gibt es tausende Ansätze für Tattoos. Die einen wollen nur bunte Bilder tragen, die anderen wollen sich von einer Norm abgrenzen. Für mich ganz persönlich ist Tätowieren auch eine Form der Spiritualität.

Inwiefern?

Ursprünglich ist Tätowieren Schamanismus. Warum hängst du dir ein Bild von deiner Mama irgendwo auf, wenn du sie liebst? Du willst in Interaktion mit ihr treten und du bist in Interaktion mit ihr. Das Bild ist dir wichtig und da steckt Energie für dich drin. Das ist dann auch nicht einfach nur ein Bild für dich. Wenn jemand das Bild nimmt und es auf den Boden schlägt, dann wirst du sauer. Saurer, als wenn ich jetzt dein Ikea-Bild von der Wand reiße. In dem Bild steckt ein Wert für dich. Und so ist es auch mit dem Bild auf der eigenen Haut. Nicht falsch verstehen: Ich bin kein Hippie. Ich umarme keine Bäume und rede auch nicht mit denen.

40 Stunden - Es geht an die Feinheiten

Das heißt das ganze Tätowieren dient nicht der Verschönerung?

Es hat definitiv einen illustrativen und verschönernden Faktor – für ganz viele Menschen. Aber wenn ich mich für ein Motiv entscheide, dann geschieht das in meinem Fall nie aus Schönheitsgründen heraus. Für mich sind die Schönheit und der Schmuck nicht der erste Sinn des Tätowierens.

Und was ist dann der Sinn?

Viele Menschen kommen hier rein und wollen etwas Schönes auf ihrer Haut tragen. Irgendwann kommt ein Tattoo zum anderen. Und je länger sie diesen Weg gehen, umso mehr begreifen sie auch die Magie des Ganzen und begreifen, was das mit ihnen macht. Es geht nicht darum, bei einer Mode mitzumachen – wenn du dich für Mode interessiert, dann kauf dir Klamotten und lass dir die Haare schneiden. Das wächst nach und du kannst auch jeden Tag dein T-Shirt wechseln. Ein Tattoo darfst du und musst du dein Leben lang tragen. Ein Tattoo verändert ein Leben.

Wie schafft es das denn?

Dein Erscheinungsbild ändert sich. Du wirkst anders auf Leute und wirst anders wahrgenommen – was auch negative Folgen haben kann, wenn du in einer Bank arbeitest zum Beispiel. Positiverweise fühlst du dich dadurch vielleicht schöner und stärker. Formen der Magie erfordern immer auch ganz natürliche Komponenten: Schweiß, Blut, Schmerz. Untätowierte Leute sehen nur ein Bild. Das ist aber kein Bild, das ist Schmerz. Du kannst dir nicht vorstellen, wie weh Tätowieren an manchen Stellen tut. Ursprünglich war das Tätowieren ein Initiationsritus. Du hast das nur bekommen, wenn du vom Mädchen zur Frau wurdest oder vom Jungen zum Krieger – und Stammesführer, die sehr viel zu sagen hatten, hatten natürlich sehr viele Tattoos. Ein Tattoo war immer auch ein Zeichen von Willensstärke. Wenn eine Frau ein Kind bekommt, dann braucht ihr hinterher kein Mann mehr etwas zu erzählen, denn es ist erwiesen, dass Männer den Schmerz der Geburt nicht überleben würden. Es ist dasselbe mit Tattoos. Du beweist dir etwas. Es ist eine Mutprobe und eine Form von Magie, die dein Leben verändert und dein Selbstbewusstsein stärkt.

Das heißt Tätowieren wäre nicht dasselbe, wenn es nicht weh tun würde?

Wir nehmen in der Zwischenzeit hin und wieder Anästhetika – damit es schmerzlos oder schmerzfreier wird. Es gibt auch Leute, die kaum oder gar keinen Schmerz ertragen können. Dann ist das eine Möglichkeit. Und es hilft auch, wenn man sehr lange Sitzungen hat. Mein Ziel ist es ja, das Tattoo so schön wie möglich abzuliefern und in dem Fall nutzt es mir nichts, wenn der Kunde mir völlig entgleitet. Letztendlich muss jemand auch einfach still halten, damit es am Ende schön werden kann. Aber eigentlich, ganz ehrlich: In der ursprünglichen Form und so wie es eigentlich sein sollte, gehört der Schmerz einfach dazu.

Welche Körperstelle tut am meisten weh?

Das ist subjektiv und das empfindet jeder anders. Aber dort wo keine Muskulatur unter der Haut liegt, dort tut es sehr weh – also über Knochen, Sehnen und Adern. Und an Stellen, die der Körper für lebensnotwendig erachtet. Hände, Füße und auch die Rumpfmitte, wo die Organe liegen: Dort überall sagt der Körper dir über den Schmerz „Vorsicht, diese Stelle brauche ich noch“. Mich fasziniert der Schmerz. Man muss ihn richtig lesen, so wie man auch Angst richtig lesen muss. Leider leben wir in einer Kultur, in der wir immer mehr verlernen, uns zu spüren.

Streng genommen, bist du jemand, der anderen Menschen Schmerzen zufügt und vielleicht auch einen Hauch von Angst. Beschäftigt dich das?

Hier wird keiner gezwungen. Es ist bei allen Kunden eine freie Entscheidung. Ich bin extrem sensibel, was das Fühlen von anderen Menschen angeht. Viele Tätowierer geben einfach nur Gas und achten nicht auf den Kunden. Ich möchte aber, dass der Prozess des Tätowierens nicht nur über das Bild sondern auch über das Erlebnis in eine Richtung verläuft, wo es dem Kunden was bringt. Ich fühle es, wenn jemand zur Tür rein kommt und Angst hat. Ich merke das im anderen Raum. Panik schlägt Wellen. Dann weiß ich, dass ich so jemanden erstmal beruhigen muss. Und ja, ich füge anderen Menschen Schmerzen zu. Aber nicht, um des Schmerzens Willen. Ich fühle mich als jemand, der einem anderen Menschen hilft, sich in seiner Persönlichkeit zu verändern.

Gibt es Stellen am Körper, die du nicht tätowieren würdest?

Das kommt auf die Person an. Wenn jemand sehr Junges rein kommt und noch kein Tattoo hat, dann würde ich dem nicht direkt was auf die Hand oder auf den Hals machen. Der muss sich erstmal zurechtfinden im Leben. Und gewisse intime Stellen würde ich auch nicht bei jedem Kunden machen. Einem Bekannten habe ich mal den Penis tätowiert. Aber sowas mache ich nur als Freundschaftsdienst. Das ist mir sonst echt zu persönlich und zu sexuell.

Warum lässt man sich was auf den Penis tätowieren?

Bei meinem Freund war es so, dass er einfach schon komplett voll war.

40 Stunden - Jabba bei der Arbeit

Ich traue mich nicht zu fragen, was dein Freund jetzt auf dem Penis stehen hat. Andere Frage: Irgendwie fürchte ich mich vor Tätowierläden, weil die Motive immer so gruselig sind. Tötenköpfe, Drachen, geräkelte halbnackte Frauen. Warum lässt sich niemand ein friedliches Gummibärchen stechen?

Das täuscht: Ich habe schon einige Gummibären gestochen. Die Frage ist eigentlich mehr für mich, warum du die Motive als gruselig empfindest, denn das ist ja eine subjektive Einschätzung von dir. Das beruht alles auch auf gesellschaftlicher Prägung und die ist auch sehr stark durch die christliche Erziehung beeinflusst. Wir interpretieren heute Sachen wie einen Schädel oder eine Schlange grundsätzlich als etwas Böses. Aber das geht weg von einem archaischen Denken und damit einem ganzheitlichen Denken. Der Tod wird von uns als etwas Schlimmes empfunden. In anderen Kulturen wird das Leben vielmehr als ein Kreislauf betrachtet und der Tod ist nur ein Teil davon. Da läuft aber viel über Sozialisierung und verschiedene Sichtweisen. Und dann kommt noch was anderes dazu. Ein Gummibärchen male ich dir in drei Minuten. Aber für einen japanischen Drachen brauche ich zwei Stunden. Da ist das einfach auch das interessantere Motiv.

Gibt es ein Motiv, das du nicht machen würdest?

Alles was Richtung Nazis geht. Und ich habe mal einen gesehen, der hatte den Kopf von diesem Österreicher tätowiert, der seine Tochter im Keller gehalten und geschwängert hat – Fritzel hieß der doch, oder? Auf jeden Fall hatte sich jemand sein Gesicht stechen lassen und darunter stand „Daddy’s Girl“. Das geht für mich mehrere Schritte zu weit. Das ist pietätlos.

Was ist für dich Erfolg?

Das ist prinzipiell ein Wort, was mir nicht so liegt, weil es einfach sehr leistungsorientiert belegt ist. Das ist schon fast kapitalistisch. Mein persönlicher Erfolg ist für mich, so leben zu können und das machen zu können, was mich glücklich macht. Ich liebe, was ich tue. Jeden Tag. Ich habe einfach meinen Weg gefunden. Ich lebe meinen Traum. So, wie es mein erstes Tattoo vorhergesagt hat.

Kontakt zu Peter Preinesberger: www.superstardestroyer.de

Text: Julia Kottkamp
Fotos: Romy Geßner

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Julia Kottkamp Gründerin und Autorin Julia Kottkamp

Julia hat Journalistik studiert und arbeitet freiberuflich als Kommunikationsberaterin und Sparringspartner in Organisationsentwicklungsprozessen. In ihrer Arbeit geht es immer um das Gespräch mit Menschen. Zuhören, verstehen und daraus Kommunikation für Klarheit entwickeln.

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Romy Geßner Fotografie Romy Geßner

Romy ist freiberufliche Fotografin und Diplom-Übersetzerin. Ihre große Leidenschaft sind Bilder von Menschen in ihrer Arbeitsumgebung. Sie steht für authentische Portrait- und Businessfotografie und sie liebt Reportagen.

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