Klofrau Jaenet Gifty Heinz

Hinter der Tür wartet manchmal ein Rätsel aus Pippi und Kacka.

Klofrau Jaenet Gifty Heinz
40 Stunden - Klofrau Gifty füllt Papier nach

Jeanet Heinz ist Klofrau. Sie kommt ursprünglich aus Ghana und ihren Spitznamen bekam sie von ihrer Mutter – Gifty, das Geschenk. Und so liebt sie das Leben und auch ihren Job. Ein Gespräch über Leidenschaft, Schwierigkeiten beim Pupsen und den Willen Gottes.

Was denken Sie, wie viele Menschen ihren Job mit Ihnen tauschen würden?

Nicht viele. Manche Leute gehen auf meine Toilette und fragen mich, warum ich diesen Job mache, obwohl ich hübsch und intelligent bin. Und die Antwort ist: Das ist einfach mein Job und ich liebe ihn.

Was genau daran lieben Sie?

I don’t know. Die Leute? Ich liebe es, unter Menschen zu sein. Ich singe ganz oft oder ich habe auch meine Sorgen. Und dann helfen mir die Leute auch. Und manchmal kann ich den Leuten helfen. Manchmal heule ich auch mit den Leuten. Und dann vergesse ich alles um mich herum. Es ist wie Therapie. Und ich bin jemand, der nicht still sitzen kann – erst recht nicht vor einem Computer. Ich muss mich immer bewegen. Ich mag es, wenn es voll ist. Dann brauche ich mich nie hinsetzen.

Ist es politisch korrekt, Sie Klofrau zu nennen?

Mich stört nicht, wenn jemand Klofrau sagt. Und außerdem steht das ja nicht auf meiner Stirn geschrieben.

Seit wann sind Sie Klofrau?

Ich mache das jetzt schon seit zwölf Jahren. Mein ehemaliger Chef hat mich irgendwann gefragt, ob ich den Job machen will. Erst habe ich nein gesagt, weil ich auch sensibel bin. Aber er hat nicht locker gelassen und gesagt, dass er mich mag wie seine eigene Tochter und dass er sicher weiß, dass der Job mir Freude machen wird. Und dann habe ich damit angefangen – erst im Stadtpark bei der Open Air Bühne und jetzt hier in der Strandperle. Mir macht Putzen einfach Spaß.

Warum?

Ich weiß es nicht. Ich bin so. Wenn ich irgendwas mache, dann muss es am Ende schön aussehen. Mein Chef hat einmal zu mir gesagt, dass er immer wusste, welche Toilette ich geputzt hatte. Ich habe Toiletten mit Kotze und Pipi und Kacka gesehen. Aber ich ekele mich nicht. Ich bin schließlich Mutter von drei Kindern.

Aber das ist doch die Scheiße von Ihrem eigenen Fleisch und Blut…

Das macht keinen Unterschied. Pippi ist Pippi und Kacka ist Kacka. Am Anfang hatte ich manchmal Angst, die Tür hinter einem Gast zu öffnen – ich wusste nie, was mich erwartet. Wenn dann alles zugekackt und gekotzt war, war ich einfach immer traurig. Ich wusste dann oft nicht, wo ich anfangen sollte. Wie ein Rätsel aus Pippi und Kacka. Aber dann habe ich immer eine Idee gekriegt und habe es sauber gemacht. Jetzt habe ich keine Angst mehr.

Was meinen Sie mit einer Idee?

Naja, zum Beispiel habe ich hier Gummistiefel. Und dann koche ich mit dem Wasserkocher heißes Wasser auf und dann kommt Clorex da drauf. Dann weicht das ein und dann kann ich es sauber machen.

Nehmen Sie das persönlich, wenn jemand eine Toilette so zuscheißt?

Ja, auf jeden Fall. Das ist eine Beleidigung für mich. Auch wenn Leute auf den Rand pieschern. Hier in der Strandperle gehe ich nach jedem Gast auf die Toilette, um zu reinigen und zu desinfizieren – das habe ich früher im Stadtpark nicht machen können, weil es so viele Klos waren. Und wenn ich die Leute hier dann darauf anspreche, dann lügen sie oft. Ich frage dann: „Warum machen Sie das? Ist das so schwer, sich vernünftig zu benehmen?“.

Wie reagieren die Randpinkler dann?

Manche werden richtig sauer. Einige entschuldigen sich aber auch. Aber viele lügen dann einfach und sagen, dass sie das nicht waren. Aber dann werde ich richtig sauer, weil ich ja genau weiß, dass sie es gewesen sein müssen. Ich bin dann einfach auch traurig, weil es respektlos mir gegenüber ist.

Warum benehmen sich Menschen auf Toiletten oftmals so daneben?

Ich weiß es nicht. Vielleicht sind manche Menschen so erzogen worden.

Apropos Erziehung. Wie bringt man Männern bei, die Klobürste zu benutzen?

Du musst mit ihnen reden. Oder einfach direkt kontrollieren und es ihnen dann zeigen. Männer sind wie Babys. Die muss man einfach immer pushen. Aber dann klappt das auch. Ich habe zwei Söhne. Der Älteste ist 22 und er beschwert sich mittlerweile bei mir, dass seine Freundin nicht richtig putzt. Er weiß halt, dass man auch unter dem Sofa staubsaugen muss. Ich bin alleinerziehende Mutter. Ich war immer ein bisschen streng, aber nur, weil ich es sonst nicht geschafft hätte. Aber ich war immer streng mit Liebe.

Ist es peinlich, wenn man vor Ihnen pupsen muss?

Nope. Wieso? Vorhin war eine Frau da und hat groß gemacht. Und dann wollte ich rein gehen. Da hat sie gesagt: „An Ihrer Stelle würde ich warten.“ Und dann habe ich gesagt: „Entschuldigung, aber – excuse me to say – welcher Kacka riecht denn süß?“. Das ist mein Job. Und es gibt viel Schlimmeres.

Ich kenne Frauen, die können einfach kein großes Geschäft machen, wenn jemand nebendran sitzt. Warum?

Ich kann das auch nicht.

Ich auch nicht. Aber wieso? Pippi machen macht doch auch Geräusche… Sind Männer da auch so sensibel?

Nein. Männer können einfach kacken. Denen ist das einfach scheißegal. Die pupsen auch. Ich nenne alle Männer Big-Babys.

Was passiert auf Ihrer Toilette, außer dem großen und kleinen Geschäft?

Sex. Das habe ich schon zwei Mal erlebt.

Aber Sie stehen doch immer da. Wie komme ich denn da mit meinem Typen zusammen aufs Klo?

Ach Gott, wenn die betrunken sind und ihren Spaß haben wollen und es außerdem schon spät ist… Why not? Dann lasse ich die rein gehen und ich gehe raus. Ein bisschen Spaß muss sein. Ich bin doch keine Spielverderberin. Ich mache dann was anderes und konzentriere mich nicht darauf.

Ich habe mal ein Interview von Ihnen gelesen, da haben Sie gesagt, Ihre Toiletten hier oben wären Ihr Reich und Sie seien die Königin. Aber die Menschen kommen in Ihr Reich, um zu pupsen, kacken und zu vögeln. Ist das nicht ein demütigendes Königinnenreich?

Das gehört dazu. Das gehört einfach dazu. Für mich ist wichtig: Wenn du zu mir in mein Reich kommst, kannst du machen was du willst, solange du mich mit Respekt behandelst. Du kannst nicht einfach reinkommen, ohne Hallo zu sagen. Dann werde ich giftig. Ich stehe doch da. Das ist mein Zuhause da oben. Du klingelst doch woanders auch und sagst Hallo, bevor du rein gehst.

Warum sind Leute so zu Ihnen?

Ich weiß es nicht. Vielleicht liegt es am Beruf. Oder an meiner Hautfarbe. Die Leute sind einfach so. Leider.

Manchmal war ich auch respektlos zu einer Klofrau. Eigentlich immer dann, wenn ich kein Geld in der Tasche hatte, aber ganz dringend musste. Dann war es mir peinlich und ich blickte ganz stur auf den Boden, als wenn mich dann niemand sehen würde. Jetzt ist mir das ziemlich peinlich.

Das passiert mir ja selber auch. Aber ich sage dann zu demjenigen, dass ich kein Geld in der Tasche habe. Ich sage dann, ich würde gerne geben, aber ich kann gerade nicht. Und ich gebe wirklich gerne, weil ich auch gerne etwas bekomme.

Ist das denn eigentlich eine Pflicht, Geld zu geben?

Bei mir ist es keine Pflicht. Bei mir steht ein Zettel, dass wenn jemand sich über eine saubere Toilette freut, ich mich im Gegenzug über 50 Cent freue. Von dem Geld, das ich hier einnehme, kaufe ich auch Handcreme, Tampons und Deo für meine Gäste. Und nur der Rest ist für mich. Manchmal ist das Trinkgeld gut und manchmal ist es schlecht. Manchmal schmeißen die Leute auch hier ihr ganzes Kleingeld mit Fünf-Cent- und Ein-Cent-Stücken auf meinen Teller. Aber ich sage immer danke. Zumindest wenn ich das Gefühl habe, dass es von Herzen kommt.

40 Stunden - Kollage - Kosmetikartikel und Hinweis zum Trinkgeld

Sie wurden jetzt schon in ein paar Zeitungen portraitiert und auch der NDR hat einen Film über Sie gemacht. Was glauben Sie, warum Sie so attraktiv für die Medien sind?

I don’t know. Das ist vielleicht ein Geschenk. Oder ich habe eine besondere Begabung in mir. Ich weiß selber: I’m special somehow. Very special. Ich bin anstrengend – ein bisschen. I’m not easy to handle. But easy going. Man muss immer bodenständig bleiben. Und man muss jeden respektieren. Auch Kinder. Erwachsene. Arm und Reich.

Ich kann von uns aus sagen, dass Sie zum einen die einzige Klofrau in ganz Hamburg sind, an die ich mich persönlich erinnert habe. Und, ich glaube bei anderen Kollegen und Kolleginnen hätte ich Angst gehabt, sie durch meine Fragen zu demütigen oder herabzusetzen – obwohl ich das niemals wollen würde. Und bei Ihnen hatte ich das Gefühl, dass Sie so tough sind und Sie sich niemals von mir schlecht behandelt fühlen würden. Ist das so?

Ja, das ist so. Mein Beruf ist nicht demütigend. Ich mache das aus Leidenschaft. It is passion. Ich bin wie ich bin – I am who I am. Alles was ich anfasse, mache ich mit Leidenschaft. Mein Motto ist: „Entweder, oder.“ Entweder du tust es oder du lässt es. Aber wenn du es tust, dann mach es auch mit deinem ganzen Herzen. Das muss von innen kommen – nicht so oberflächlich. Das mag ich nicht.

Kann man eine solche Einstellung lernen?

Ja.

Wie?

Erziehung? Meine Tochter ist auch so.

Was bedeutet Erfolg für Sie?

Erfolg. Wow. Ich wundere mich immer, wie viele Leute gar keine Arbeit haben. Und ich habe Arbeit. Und wie viele Menschen haben das Privileg, in eine Zeitung zu kommen oder ins Fernsehen? Ich bin eine normale Klofrau. Aber wenn ich diese Chancen habe, dann ist das für mich Erfolg.

Aber wäre es nicht schöner, als Sängerin oder Schauspielerin in den Medien zu sein?

Weißt du, ich bin da auf dieser Welt. Und ich bin ich. Ich bin Christin. Ich glaube an Gott. Sehr. Er hat mein Leben zu bestimmen. Ich habe so eine Begabung. Manchmal träume ich und Dinge gehen dann in Erfüllung. Gott wird mit mir reden. Wenn er morgen sagt – mach was anderes – dann mache ich das. Und sonst nicht. Dann bleibe ich Klofrau und bin glücklich, so wie es ist.

Kontakt zu Jaenet Gifty Heinz: www.strandperle-hamburg.de

Text: Julia Kottkamp
Fotos: Romy Geßner

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Julia Kottkamp Gründerin und Autorin Julia Kottkamp

Julia hat Journalistik studiert und arbeitet freiberuflich als Kommunikationsberaterin und Sparringspartner in Organisationsentwicklungsprozessen. In ihrer Arbeit geht es immer um das Gespräch mit Menschen. Zuhören, verstehen und daraus Kommunikation für Klarheit entwickeln.

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Romy Geßner Fotografie Romy Geßner

Romy ist freiberufliche Fotografin und Diplom-Übersetzerin. Ihre große Leidenschaft sind Bilder von Menschen in ihrer Arbeitsumgebung. Sie steht für authentische Portrait- und Businessfotografie und sie liebt Reportagen.

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