Thomas Haack ist Kaffeeröster und trinkt den ersten Kaffee des Tages erst zwei Stunden nach dem Aufstehen. Tee mag er auch. Und St. Pauli. Aber manche Dinge bringen selbst ihn aus der Ruhe. Ein Gespräch über einen Schweizer Lebensmittelriesen, Berliner Hipster-Jungs und das Dilemma mit richtig gutem Kaffee.
Nespresso und George Clooney sind für mich…
Die größte Marketingkampagne, die es im Kaffee je gegeben hat. Und gleichzeitig noch die größte Verblendung. Das Wort Verarschung will ich nicht sagen, aber eigentlich trifft es das besser. Nespresso-Kaffee kostet 65,00 € das Kilo und ist viel minderwertiger als unser Kaffee, der 19,90 € das Kilo kostet. Was bringt dich also dazu, diesen Kaffee zu kaufen? George Clooney. Menschen kaufen aus visuellen Marketinggründen und nicht, weil etwas gut schmeckt.
Fühlst du dich davon verarscht?
Nein, im Gegenteil. Ich komme in meiner kleinen Nische gut zu recht. So funktioniert halt die Welt. Das Leben ist so.
Das Leben ist aber manchmal auch einfach ein Arschloch. Du stehst hier in deinem kleinen Laden. Blut, Schweiß, Tränen, Leidenschaft. Und dann kommt so ein Weltkonzern, feuert Geld rein, nimmt den heißesten Kerl der Welt und die Bude kocht? Ich glaube, ich müsste mich aufregen.
Mich lässt das kalt. Wir machen doch hier ein völlig anderes Produkt. Wenn du Nespresso kaufst, dann gehst du in so einen gestylten Laden mit ganz viel Neon. Unsere Kunden würden da nicht einen Fuß rein setzen. Wir sind in hier in St. Pauli. Die Leute hier kaufen Alukocher. Die kaufen bei mir, weil ich den Kaffee röste. Und wenn ich einen Fehler gemacht habe, dann stehen die im Laden. Das geht doch bei keiner großen Marke.
Wo kauft man den schlechtesten Kaffee?
Für mich ist der gesamte Supermarktkaffee auf einem Level angekommen, das nicht mehr erträglich ist. Und da würde ich keine einzige Marke rausnehmen. Wenn du heute 1 kg Kaffee kaufst, dann sind da nur 800 g richtiger Kaffee drin. Der Rest ist vaporisiert, also verdampft. Die nehmen ganz schlechten Billigkaffee und beschießen den mit Wasserdampf, damit der Geschmack neutralisiert wird. Und dann werden noch Stöcke und Blätter zugemischt. Der Verbraucher weiß nicht, was er in der Tasse hat. Die Industrie tut was sie will und der Verbraucher ist ignorant. Das macht mich wirklich sauer.
Warum trinken Menschen Kaffee?
Aus Genuss. Kaffee ist ein klassisches Genussmittel. Und sicherlich auch wegen des Koffeins, was ja letztlich ein leicht anregendes Gift ist. Kaffee macht wach.
Und was schafft der Kaffee zwischen den Menschen?
Kaffee verbindet Menschen. Außer in Italien ist es üblich, dass man sich zum Kaffeetrinken hinsetzt. Und dann redet man miteinander. In Deutschland gibt es eine große Tradition des Kaffeekränzchens. Oder mit Freunden: Zum Kaffeetrinken geht man nicht los, um sich zu betrinken. Man sitzt zusammen und tauscht sich bewusst aus. Das beste Beispiel ist für mich die Geschichte, wie der Kaffee nach Europa kam. In London bildete sich in den sechszehnhunderter Jahren die Demokratie aus. In den Kneipen wurde Bier getrunken. Aber wer Bier trinkt, der redet nicht mehr sinnvoll über Politik. Eine gewisse Szene von Leuten ging also in die Kaffeehäuser und da wurde dann bei wachem Verstand Demokratie gesponnen.
Kannst du dich an deine erste Tasse Kaffee erinnern?
Ja, kann ich. Das war sehr traditionell. Omis Kaffeekränzchen. Es war Kaffee mit sehr viel Milch und Zucker.
Und wie ist Kaffee für dich dann zur Leidenschaft geworden?
Ich habe zehn Jahre gar keinen Kaffee getrunken, weil ich immer Magenprobleme davon kriegte. 1998 habe ich einen Kaffeehändler kennengelernt und der hat mir natürlich Kaffee angeboten. Ich habe abgelehnt, aber er meinte „Von meinem Kaffee kriegt keiner Magenprobleme.“ Ich bekam kein Bauchweh und war von der Materie fasziniert.
Heute hyped Kaffee total und alle kaufen sich fette Maschinen. Muss eine Sache immer zur Raketenwissenschaft werden oder ist das wirklich so kompliziert?
Die Deutschen kaufen lieber Elektronik als Genussmittel. Die Leute denken, sie kaufen sich eine super Maschine und dann tun sie Aldikaffee rein und wundern sich. Aber wie soll da Gold rauskommen, wenn ich Schrott rein gebe? Die Franzosen und die Italiener machen es anders herum. Die kaufen guten Kaffee und nehmen einen Herdkocher. Kauf einfach guten Kaffee. Der Rest ist Nebensache.
Aber wenn das so einfach ist: Was machen dann diese ganzen coolen Hipsterjungs, die jetzt so voll einen auf Kaffee machen. Wann ist Kaffee zum Schwanzvergleichsthema geworden?
Ja, das mit dem Schwanzvergleichsthema stimmt total. Das ist so, weil die Allgemeinheit keine Ahnung mehr von dem Thema hat. Tee war immer ein Thema in Deutschland. Aber die Kaffeetradition ist mit dem Ende der Kolonialwarenläden irgendwie in Vergessenheit geraten. Mich nerven diese Jungs auch. Besonders in Berlin, da sind sie völlig unerträglich. Die erzählen einfach auch viel Mist. Aber immerhin tragen sie etwas in die Gesellschaft.
Und dann nerven sicher noch die „Bitte eine entkoffeinierte Soja-Latte mit wenig Schaum, dafür aber double Espresso und nicht zu heiß, mit einem Spritzer Karamell und Haselnuss-Flavour, dafür ohne Kakaopulver“-Besteller, oder?
Also ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es irgendeinen Gastronom gibt, der diese Leute mag. Aber auch bei uns ist der Kunde König. Am Anfang haben wir gesagt, dass es hier keinen Sirup gibt, aber jetzt haben wir auch den. Natürlich tut uns das weh, wenn wir in unseren Kaffee Sirup schütten müssen. Aber der Kunde kommt rein und entscheidet mit seinem Portemonnaie. Da sollten wir uns nicht zu fein sein. Ja, wir sind Kaffeekenner und -liebhaber aber eben auch Gastronomen und Einzelhändler. Bei uns hört es da auf, wo die Qualität leidet. Wenn jemand bei uns low-fat Milch bestellt, dann kriegt er die nicht. Die haben wir nicht, weil die nicht schmeckt.
Ist Fairtrade-Kaffee wirklich fair?
Also wer unter dem Logo verkauft, der wird schon gezwungen, Geld auszugeben, um vor Ort für bessere Bedingungen zu sorgen. Damit kannst du rechnen. Womit du nicht rechnen kannst, ist die Qualität. Viele Leute denken, dass Fairtrade-Kaffee besonders hochwertig ist. Aber ein Kaffeebauer der Fairtrade zertifiziert ist, der bekommt eine Quote. Und wer eine Quote hat, der freut sich einfach nur, weil er so oder so verkauft. Niemand mit Quote muss auf Qualität achten.
Das wusste ich auch nicht.
Ich kann es ja deutlich sagen, da gibt es ja keine Geheimnisse. Im Grunde ist das wieder ein ganz großes hinters Licht führen. Für Fairtrade-Kaffee muss ich 20 Cent über dem Indexpreis an der Kaffeebörse zahlen. Aber diese 20-30 Cent sind lächerlich, denn mein teuerster Kaffee kostet sowieso drei bis vier Mal so viel. Wenn ich hier Fairtrade-Kaffee anbiete, dann reibe ich mir die Hände. Ich habe viel weniger Kosten und kann durch das Logo einen viel höheren Preis erzielen. Die Leute nehmen ein Logo als Garant dafür, dass etwas gut läuft.
Das bedeutet dann aber auch im Umkehrschluss, dass ich keinen richtig guten Kaffee kriege, der fair produziert ist.
Und da sind wir leider wieder bei der Ungerechtigkeit in der Welt.
Aber wie ist das für dich? Du willst doch ein geiles Produkt machen und weißt gleichzeitig, dass an den Bohnen – ich hoffe das ist nur überspitzt – Blut klebt?
Nein, so ist das nicht. An Kaffee klebt kein Blut. Aber Kinderarbeit gibt es. Ich hatte einmal einen fantastischen Kaffee. Als ich erfahren habe, dass der auch von Kindern gepflückt wurde, habe ich ihn nicht mehr gekauft.
Zu guter Letzt: Was ist Erfolg in deinem Beruf?
Bestätigung. Einfach, dass die Leute sagen, dass der Kaffee schmeckt, und wenn meine Kunden dann immer wieder kommen. Die müssen dann schon mal keinen Nespresso mehr trinken.
Kontakt zu Thomas Haack: www.kopiba.de
Text: Julia Kottkamp
Fotos: Romy Geßner
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