Müllmann Ralph Mundt

Ich will gar nichts anderes machen.

Müllmann Ralph Mundt
Weg mit der Mülltonne

Ralph Mundt ist Müllmann und ist damit heute das, was er schon als Kind werden wollte. Es zieht ihn raus auf die Straße, da hin, wo immer frische Luft weht. Es sei denn, es ist Sommer und er muss Biomüll fahren. Ein Gespräch über den Stolz an seinem Job, die Gelassenheit im Bezug auf das Thema Karriere und eine Bombe, die ihn fast das Leben gekostet hätte.

Ist das eigentlich ok, wenn man zu Ihnen Müllmann sagt?

Ja. Früher hießen wir Aschmann. Heute sagt man offiziell Entsorger, aber das klingt doch bescheuert. Ich finde Müllmann völlig in Ordnung. Wenn du das sagst, dann wissen alle Bescheid.

Wenn man die Farbe orange nicht mag, dann ist das kein guter Job, oder?

Warum?

Wegen der Farbe der Klamotten.

Ach so. Ich finde das ist ne schöne Farbe. Ich kenne keinen, der die Farbe nicht mag.

Eine Frage, die mich schon als Kind beschäftigt hat: Der Mann, der hinten stehen darf, ist der die „coolste Sau“ vom Müllwagen?

Hinten ist es auf jeden Fall am Coolsten. Das habe ich mir schon als Kind so überlegt. Da bist du an der Luft und wenn du vorne sitzt, dann bist du drinnen. Draußen ist es freier und luftiger.

Aber hinten stinkt es auch, oder?

Nach den Jahren gewöhnt man sich dran.

Und wer darf hinten stehen? Gibt’s da ne Hierarchie?

Ne, es gibt keine Hierarchie. Wir wechseln uns jede Woche ab. Wir sind drei Leute, plus Fahrer. Die Rausholer laufen meistens zu Fuß vor. Der der kippt, ist der der hinten drauf steht. Und der Wegbringer bringt die Mülltonne dann wieder zum Haus.

Der Müllmann steigt auf

Ist das nicht monoton?

Ja, aber das ist halt so.

Wollten Sie wirklich schon als Kind Müllmann werden?

Ja. Als Kind habe ich immer gesehen, wenn die Müllabfuhr kommt. Und da habe ich gedacht: „Wie schön, die arbeiten nur einmal in der Woche“. Die kommen nur dienstags und dann haben sie frei. Und dann hat das auch alles so schön geblinkt. Fand ich super.

Aber dann wurden Sie erwachsen und haben gelernt, dass die Müllabfuhr auch jeden Tag arbeitet. Wie sind Sie dann Müllmann geworden?

Ein Freund hat gesagt, dass bei der Stadtreinigung Leute gesucht werden. Damals wurde man einfach so eingestellt, wenn man was gelernt hatte. Ich habe Maler und Lackierer gelernt. Und dann konnte ich einfach hier anfangen und wollte das auch gerne machen.

Was hat Sie daran gereizt?

Gereizt hat mich der Umgang mit Leuten, weil ich früher als Maler auch immer was mit den Kunden zu tun hatte.

Welche Leute meinen Sie?

Naja, die Kollegen und auch vor allem mit den Bürgern auf der Straße. Also, wenn du Jahre lang eine Tour fährst, dann grüßt man sich und man redet über Gott und die Welt.

Da haben Sie Zeit zu?

Muss! Die Zeit nehme ich mir.

Echt, mitten in Hamburg gibt es Zeit für nen Plausch?

Ja, ich ziehe das durch.

Was sind das dann so für Themen?

Puh, das geht von Urlaub bis hin zu „Wie kann ich das entsorgen?“. Da gibt es zahlreiche Themen.

Bei der Vorbereitung für das Gespräch, hat mir eine Freundin erzählt, bei ihr war es damals üblich, dem Müllmann zu Weihnachten einen Umschlag mit Taschengeld mitzugeben.

Stimmt. Aber heute dürfen wir das nicht mehr annehmen. Das ist verboten. Aber früher habe ich das auch erlebt. Heute dürfen wir noch Süßigkeiten nehmen. Aber ich freue mich auch, wenn die Leute einfach Danke sagen. Das ist schon viel Wert. Man muss nicht immer was geben. Ein Wort reicht schon.

Vom Image her, ist es ja eher ein dreckiger Job, der auf den ersten Blick keine große gesellschaftliche Relevanz hat. Aber das ist natürlich zu kurz gedacht, weil die Gesellschaft sonst im Dreck versinken würde. Aber nichtsdestotrotz empfinde ich es so, als ob der Beruf nicht sonderlich anerkannt ist.

Doch, ich empfinde das schon so. Wir hören das doch oft: „Wenn wir euch nicht hätten, dann würden wir verdrecken.“

Müllmann mit Müllcontainer am Müllauto

Gibt’s auch Reaktionen, die Sie nerven?

Mich regt es auf, wenn die Leute den Müll nicht sortieren. Die hauen das einfach in eine Tonne. Ich finde das einfach nicht gut, weil das Rohstoffe sind. Es hat keinen persönlichen Einfluss auf mich, aber mich stört, dass ein System nicht eingehalten wird.

Haben Sie als Müllmann einen kleinen Ordnungsfimmel?

Meinst du zu Hause? Oh ja. Frag mal meine Frau. Die sagt schon manchmal „Lass ma‘ gut sein.“ Ich würde schon sagen, dass ich es einfach gerne sauber mag.

Aber wenn Sie das so von sich sagen, dann ist es doch eigentlich absurd, sich hinten auf einen Müllwagen zu stellen, oder?

Nein, warum?

Da stinkt es doch und man muss den Dreck von anderen weg machen. Das ist doch ekelig.

Quatsch, das ist doch nicht ekelig. Da ist nichts ekelig. Ja, im Sommer stinkt der Biomüll. Oder es ist ekelig wenn man im Hochsommer Restaurants abfährt und da sind überall Maden wegen der Essensreste. Oder die Tüten, wenn die aufgerissen sind von den Tieren und Ratten. Oder wenn Hundebesitzer die Hunde da drauf kacken lassen. Aber ich kann mich doch hinterher waschen. Das ist wie als Maler. Da hatte ich doch abends auch Farbe an den Händen. Und dann duscht man sich abends und dann ist es wieder gut. Wir haben hier sogar das Privileg, auf dem Gelände zu duschen. Du musst noch nicht mal dreckig in die Bahn. Du kommst sauber nach Hause. Das ist doch alles super.

Was war das Skurrilste, was Sie je im Müll gefunden haben?

Ne Bombe. Die ist sogar hoch gegangen. Zum Glück im Wagen. Das war TNT Sprengstoff. Das hat da irgend so ein Idiot entsorgt. Das stand auch in der BILD Zeitung. Es gab einen riesen Knall und die Druckwelle hat ein Auto neben uns zerquetscht und Briefkästen sind abgeflogen. Ich stand zum Glück drei Meter entfernt. Wir haben nichts abbekommen. Das war krass. In der Zeit danach, hatte ich bei jeder Tonne Angst. Das war schlimm. Wir hätten auch alle tot sein können.

Wurde das aufgeklärt?

Nein, man hat keinen gefunden, der es war. Weißt du das war auch ein Schulweg. Wir waren zu spät an dem Tag. Sonst ist das da alles voll mit Schulkindern. Nur an dem Tag nicht. Zum Glück. Das war das Schlimmste was ich je erlebt habe.

Wie lange hat das gedauert, bis Sie keine Angst mehr hatten?

Lange. Verdammt lange.

Was macht Sie stolz an Ihrem Beruf?

Das wir am Ende des Tages sagen können, dass wir Hamburg ein klein bisschen sauberer gemacht haben.

Haben Sie sich jemals Gedanken um eine Karriere gemacht?

Nein. Ich bin Vorarbeiter geworden und das reicht mir völlig. Das ist alles gut so. Du kannst dann noch in den Innendienst gehen, aber dann bist du ja nicht mehr auf der Straße. Ich bin gerne da an der frischen Luft. Klar da gibt es schöne Zeiten und schlechte Zeiten. Wie in ner Ehe. Gute Zeiten, schlechte Zeiten. Winter, Sommer. Im Winter ist es kalt, aber dafür hast du es im Sommer warm. Manche sitzen den ganzen Tag drinnen. Schrecklich. Wir dürfen immer draußen sein.

Müllmann gibt Problemfälle ins iPad ein

Was bedeutet Erfolg in Ihrem Beruf?

Nicht viel… Erfolg ist für mich, wenn ich am Ende des Tages fertig bin. Dann kann ich nach Hause gehen.

Und fehlt Ihnen da nichts?

Nein. Warum? Was soll da fehlen? Wir haben dann alles geschafft. Keiner ist verletzt. Und es ist sauber. Alles gut.

Glauben Sie, dass es für Sie einen besseren Beruf gäbe als Müllmann?

Nein. Ich will gar nichts anderes machen. Ich wollte das halt echt schon als Kind. Ich bin total zufrieden. Früher als Maler war ich im Winter arbeitslos. Hier habe ich immer Arbeit. Und es ist immer die gleiche Arbeit. Das finde ich gut. Man weiß die ganze Woche schon, was kommt. Als Maler kommst du von einer Baustelle zur anderen. Dann musst du da mit der Bahn hin fahren und da hin. Hier hast du einen Standort. Das ist super.

Gibt’s eigentlich auch Müllfrauen?

Ich habe mal gehört, dass es jetzt auch welche geben soll. Aber selber gesehen habe ich noch keine.

Warum machen das nur Männer?

Weil es anstrengend ist und Kraft zehrend. Du bewegst ja zig Tonnen am Tag. Also ehrlich gesagt, hätte ich schon mal gerne ne Frau dabei. Um zu sehen ob sie es packt. Willst du mal mit? Wir haben sicher noch ein paar orange Sachen.

Kontakt zu Ralph Mundt: www.stadtreinigung.hamburg

Text: Julia Kottkamp
Fotos: Romy Geßner

Mülltonnen in Hamburger Straße
Eine Tonne wird entleert
Ein Blick ins Cockpit des Müllautos
Besprechung mit dem Chef
Die vier Müllmänner der Kolonne40 Stunden - Ralph Mundt - Müllmann

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Julia Kottkamp Gründerin und Autorin Julia Kottkamp

Julia hat Journalistik studiert und arbeitet freiberuflich als Kommunikationsberaterin und Sparringspartner in Organisationsentwicklungsprozessen. In ihrer Arbeit geht es immer um das Gespräch mit Menschen. Zuhören, verstehen und daraus Kommunikation für Klarheit entwickeln.

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Romy Geßner Fotografie Romy Geßner

Romy ist freiberufliche Fotografin und Diplom-Übersetzerin. Ihre große Leidenschaft sind Bilder von Menschen in ihrer Arbeitsumgebung. Sie steht für authentische Portrait- und Businessfotografie und sie liebt Reportagen.

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10 Kommentare

  1. Prima Interview Julia

    1. Danke! 🙂

  2. 30. Oktober 2015 Bernd sagt:

    Ich bin ein langjähriger Kollege von Ralph und habe immer gerne mit ihm gearbeitet.
    Dieser Bericht gibt vieles von dem wieder,was ich auch als Entsorger denke/empfinde.Toll geschrieben,und absolut authentisch!

    1. Danke, lieber Bernd!

  3. 31. Oktober 2015 Frank sagt:

    Klasse Interview das übernehmen wir dann mal 1 zu 1

    1. Moin Frank, cool, dass dir das Interview gefällt. Was das Übernehmen angeht, meldest du dich ja sicher noch mit vollem Namen bei uns. Die Firma dankt!

    2. Frank, du darfst natürlich gern diesen Artikel hier teilen. Quellenangabe nicht vergessen. Du weißt schon, Urheberrecht und so.

  4. Die Leute in Mülheim verweigern mir ein Interview mit einem Müllmann ….

    1. Hey Stefan, was genau hast du denn vor? Und wo hast du angefragt? LG Julia

  5. bin 13

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